Warum darf ich mein Baby nicht hinsetzen oder hinstellen?

Wie alle Entwicklungsschritte bauen auch die der motorischen Entwicklung aufeinander auf. Die
Aufrichtung gegen die Schwerkraft bis in den Stand ist ein Prozess, bei dem das Baby verschiedenste
Kompetenzen erlangt um sicher zu sitzen, stehen und laufen. Dieser Prozess ist von der Natur vorgegeben
und beginnt schon vor der Geburt.

Nach der Geburt sieht sich das Baby der Schwerkraft ausgesetzt, so dass bereits die Rückenlage und
Bauchlage sehr anstrengend sind. Zunächst findet sehr viel motorisches Lernen in Rückenlage statt, bis das
Baby dann in der Lage ist, sich zu drehen. Auch bereits vorher darf das Kind gerne in Anwesenheit der
Eltern in Bauchlage oder Seitenlage gebracht werden, um unter anderem zu erfahren, wie Schwerkraft
wirkt und sich gegen diese zu stemmen.

Bis ca. zum 6. Monat ist die motorische Entwicklung in Rückenlage abgeschlossen. Das Baby nimmt seine
Füße in Hände und Mund, die vordere Kette ist geschlossen und es dreht sich eigenständig auf den Bauch.
Von hier aus beginnt die Fortbewegung und Aufrichtung gegen die Schwerkraft. Das Sitzen erlernt das Kind
entweder direkt über die Seitenlage hoch in den Seitstütz und Sitz oder indem es sich aus dem Vierfüßler-
Stand über die Seite nach unten in den Sitz dreht.

Es ist sehr wichtig, dass ein Kind die Erfahrung über Höhe selbst macht, sich also selbst dorthin begibt.
Denn nur so weiß es, diese Höhe einzuschätzen und zu koordinieren. Somit erkennt es dann auch die
Gefahr, die eine solche Position mit sich bringt.

Jedes gesunde Kind hat die Fähigkeit alle Bewegungsmuster eigenständig zu erlernen, wenn man es nur
lässt. Und jedes Kind will krabbeln. Unterbricht man diese Entwicklung, indem man zum Beispiel ein Kind
hinsetzt oder hinstellt, wird die normale Entwicklung unterbrochen. Die Muskulatur ist zudem noch nicht
weit genug entwickelt, so dass sich Fehlhaltungen bilden können. Es gibt immer eine Seite, die dominanter
ist. So wird in Positionen, für die die eigene Haltekraft nicht ausreicht, das Kind immer zur dominanteren
Seite abweichen.

Dass Kinder sich in einem gewissen Alter an den Händen hochziehen oder wenn man sie stellt gar Gewicht
übernehmen, liegt an gewissen Reflexen und Lagereaktionen. Diese werden vom Kinderarzt oder
Therapeuten überprüft, um den neurophysiologischen Status abzufragen. Es hat aber nichts mit der
eigenen Aufrichtung zu tun und darf nicht so geübt werden.

Kinder müssen die Erfahrung machen, selbst etwas zu erreichen. Dieser Erfolg ist wichtig für die weitere
Entwicklung. Natürlich freut es sich zunächst, wenn es hingesetzt wird. Liegt dann aber ein Spielzeug nicht
in Reichweite, hat es keine Idee, wie es dorthin kommen kann und ist frustriert. Es ist gefangen in der
Position und wird sich andere unphysiologische Muster angewöhnen, sich ggf. einfach fallen lassen. Frühe
Folgen des Hinsetzens können außerdem eine Entwicklung zum „Porutscher“ oder „Zehenspitzenläufer“
sein, oder das Kind krallt ständig die Zehen.

Ich spreche ausdrücklich nicht vom Tragen im Tuch oder dem kurzen Sitz auf dem Schoß der Eltern. Hier
wird das Kind rund herum gehalten und gestützt.

Das Wichtigste ist: Geben Sie sich und dem Kind Zeit. Jedes Kind hat sein eigenes Tempo.
Beschäftigen Sie sich mit dem Kind, in der Position, die gerade aktuell ist.

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